Am vergangenen Mittwoch, dem 12. Juni, fand erneut die “Lange Nacht der Bildung” (LNdB) der Fachschaften Politik und Soziologie statt. In diesem Jahr war sie jedoch umstritten. Aufgrund der an uns als Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) gerichteten Kritik, möchten wir an dieser Stelle einige Dinge einordnen und versuchen, den Diskurs etwas zu versachlichen. 

 

Das Studierendenparlament beschließt seit vielen Jahren den “Antrag gegen jeden Antisemitismus”, umgangssprachlich auch BDS-Beschluss genannt. Damit positioniert sich das Studierendenparlament zum Einen gegen Antisemitismus und gibt zum Anderen aber auch Handlungsspielräume vor. So verhindert der Beschluss, dass Organe der Studierendenschaft mit Gruppen oder Personen zusammenarbeiten, die sich antisemitisch positionieren oder positioniert haben, bzw. das Existenzrecht Israels ablehnen. 

Wichtig an dieser Stelle klarzustellen: der Beschluss gilt für uns als AStA, nicht jedoch für Fachschaften.

 

Der Beschluss hatte zur Folge, dass Referate des AStAs, namentlich BIPOC und fikuS, ihre finanzielle und personelle Unterstützung zurückziehen mussten, sowie unsere Räume, namentlich die Baracke, für die LNdB nicht zur Verfügung standen. Wir haben jedoch niemanden einfach willkürlich “rausgekickt. lol.”, sondern kamen dem Beschluss des Studierendenparlaments nach, welches das höchste beschlussfassende Gremium der Studierendenschaft ist und dessen demokratischen Beschlüssen befolgt werden müssen.

Hinzu kam die Frage, inwiefern unser AStA-Finanzreferat die Gelder der Fachschaften auszahlen kann, ohne gegen den Beschluss zu verstoßen. Da alle Gelder der Fachschaften unserer Uni über das AStA-Finanzreferat verwaltet werden, war die Lage zunächst uneindeutig. Es gilt, dass Fachschaften ihr Geld grundsätzlich frei zur Verfügung steht. Der Beschluss greift an dieser Stelle nicht.

 

Betonen möchten wir an dieser Stelle, dass hinter dem AStA immer auch Menschen stehen. Die Situation war für uns nicht einfach und durchaus sehr neu - gerade auf dem AStA-Vorsitz als Rechtsaufsicht der Studierendenschaft lastet dabei große Verantwortung. Erschreckend war es deswegen für uns, dass auch Einzelpersonen direkt angegangen wurden, teils mit schweren Vorwürfen. Im AStA investieren viele Menschen Kraft und Zeit, um für alle Studierenden da zu sein, nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen zu treffen und das möglichst Richtige zu tun. Man muss und kann politisch nicht immer einer Meinung sein, aber ein freundlicher Umgangston, grundsätzlicher Respekt und Empathie sollte stets erwartbar sein. 

Auch die Fachschaften Politik und Soziologie haben wir mehrfach um Gespräche gebeten und wollten gemeinsam eine LNdB ermöglichen, ohne Antisemitismus. Denn als AStA hätten wir die LNdB, als ein emanzipatorisches und kritisches Bildungsangebot, sehr gerne unterstützt. 

 

Die studentische Selbstverwaltung und die Mitbestimmung an unserer Uni sind ein hohes Gut, dazu gehört auch die Selbstständigkeit der Fachschaften. Diese haben wir zu keinem Zeitpunkt beschnitten. Beschlüsse des demokratisch von allen Studierenden gewählten Studierendenparlaments auszuführen ist jedoch ebenfalls wichtig. Des Weiteren setzten wir uns für einen demokratischen Diskurs ein. Die Uni sollte einen Raum darstellen, in dem sachlich diskutiert wird. Während des Diskurses sollten sich alle Menschen sicher fühlen und bestärkt darin ihre Ansichten kundzutun. Stets unter der Prämisse, einen Raum frei von Diskriminierungen zu schaffen.

 

Dem Aufruf der Fachschaften, sich selbst ein Bild von der Veranstaltung zu machen, sind wir gern gefolgt. Leider haben sich viele Befürchtungen aber bewahrheitet. Wieland Hoban hat während seines Vortrags über die Geschichte des Antisemitismus die Shoa praktisch nicht erwähnt. Er hat den Zionismus als Streben nach einem jüdischen Staat als antisemitisch verklärt und selbst antisemitische Ressentisemts bedient. Den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober hat Hoban als legitimen Widerstand stilisiert und als nicht-antisemitisch bezeichnet.  

Auch während des Vortrags der Students for Palestine wurde die Gewalt der Hamas legitimiert und sogar unterstützt. In der Diskussionsrunde wurde der Terror der Hamas mit dem Kampf der Ukrainer*innen gegen Russland verglichen. Die Toten des 7. Oktober wurden als Schuldige bezeichnet, deren Ermordung legitim gewesen sein. Im Vorfeld der LNdB sicherten die Fachschaften im Rahmen eines Sicherheitskonzepts zu, antisemitische oder gewaltverherrlichende Beiträge zu unterbinden oder zumindest einzuordnen. Das geschah leider nicht.

 

Wir, als Studierendenvertretung, bedauern die Geschehnisse während der LNdB. Es kam zu antisemitischen und gewaltverherrlichenden Äußerungen, die nicht eingeordnet wurden. Stellenweise verloren die Fachschaften die Kontrolle über ihre Veranstaltung, durch zum Beispiel Entzug des Mikrofons der moderierenden Person. Außerdem wandten sich Studierende an uns, die angespuckt, beleidigt oder bedrängt wurden. 

 

Wir appellieren an die Fachschaften, die LNdB und ihre Rolle im Diskurs ehrlich und offen zu reflektieren. Auch an unserer Uni Raum für palästinensische Stimmen und Debattenräume zu schaffen, ist wichtig. Es muss Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung geäußert und Solidarität mit Palästinenser*innen gezeigt werden können. Was es aber nicht geben darf, sind Gewaltverherrlichung oder antisemitische Hetze, die Angst bei Jüd*innen schert und dazu führt, dass diese nicht mehr zur Uni kommen. 

 

Wir alle stehen in der Verantwortung unsere Universität zu einem demokratischen, gewaltfreien und offenen Raum zu machen.