Polizeigewalt und Rechtsextremismus – Die innere Verfassung der Polizei
Dienstag, 02. März 2021, 19:00 Uhr - 21:00 Uhr
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„In der Debatte über fremdenfeindliche Tendenzen in den Reihen der Polizei werden spezifische Arbeitsbedingungen als Hauptursache hervorgehoben. (…) Fremdenfeindliche Tendenzen erweisen sich als Teil eines Unzufriedenheitssyndroms, das Aspekte der Stadtwahrnehmung und der Einschätzung von Beruf, Betriebsklima und den polizeilichen Arbeitsaufgaben einschließt. Zentrale Entwicklungen städtischer Modernität stoßen auf verbreitete, zum Teil aggressive Zurückweisung.“ (Hans-Gerd Jaschke, Öffentliche Sicherheit im Kulturkonflikt, Frankfurt 1997)
Wie das vorangestellte Zitat aus einer Untersuchung zur Innenstadtwache in Frankfurt aus dem Jahr 1997 zeigt, ist die Debatte nicht neu. Sie aktualisiert sich immer wieder wenn Vorkommnisse mit der Anwendung von (illegitimer?) Polizeigewalt und/oder rassistischen Verhaltensmustern medial aufgegriffen werden. Die medienwirksame Aufbereitung des Todes von George Floyd durch Polizeigewalt 2020 in den USA ist dafür nur ein wenn auch sehr eindrückliches Beispiel. Die Darstellung wird verbunden mit der Frage, ob der zugrundeliegende Rassismus nicht auch in der deutschen Polizei vorhanden sei. Und für diese Vermutung gibt es dann natürlich auch die entsprechenden Beispiele wie das Netzwerk mit rechtextremen Chat-Inhalten in einer Polizeiwache in Mülheim oder rechtextreme Morddrohungen u.a. gegenüber einer Opferanwältin im NSU-Prozess, deren persönliche Daten zuvor über Computer in hessischen Polizeidienststellen abgefragt wurden.
Der Bochumer Kriminologe Tobias Singelnstein hat 2019 eine Studie vorgelegt, in der 3.375 Fälle von berichteter Polizeigewalt analysiert wurden, bei denen ein Anfangsverdacht auf rechtswidrige Gewaltausübung vorlag. Ein Großteil der berichteten Fälle führte, weil nicht angezeigt, nicht zu einem Strafverfahren. Unter Einbeziehung des Dunkelfeldes kommt Singelnstein zu dem Ergebnis, dass es (mindestens) ca. 12.000 Fälle von Polizeigewalt pro Jahr in Deutschland gibt. In einer weiteren Auswertung zeigte sich, dass bestimmte Personengruppen stärker betroffen sind. Dies gilt vor allem für „People of Color“ aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft, aber auch für weiße Personen, die wegen ihrer Kleidung oder ihres Aussehens als abweichend wahrgenommen werden.
Die (wenigen) vorliegenden Studien weisen darauf hin, dass es sich bei Fehlern, Grenzüberschreitungen und Missbrauch bis hin zu verfestigten rassistischen Verhaltensmustern nicht um Einzelfälle oder einige schwarze Schafe, sondern um ein strukturelles Problem bei der Aufgabenwahrnehmung der Polizei handelt. Dies wird aber weiterhin von vielen Entscheidungsträgern in Politik und Polizei sowie von den Polizeigewerkschaften in Abrede gestellt. Beispiele hierfür sind die Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer in der aktuellen Diskussion um die sogenannte Rassismus-Studie wie auch von führenden Vertretern der Gewerkschaft der Polizei, die eine lediglich auf die Polizei bezogene wissenschaftliche Untersuchung wegen der damit nach ihrer Auffassung verbundenen Stigmatisierung der gesamten Polizei für inakzeptabel ansehen.
In dieser Diskussion wiederholt sich ein seit Jahrzehnten praktiziertes Reiz-Reaktions-Muster. Auf der einen Seite eine Fundamentalkritik an der Polizei mit dem Vorwurf eines institutionellen Rassismus wie beispielsweise in der taz-Kolumne vom 15.06.2020 von Hengameh Yaghoobifarah. Auf der anderen Seite eine Wagenburgmentalität, die sich dagegen verwahrt, die Polizei unter Generalverdacht zu nehmen und in die rechte Ecke zu stellen und mit dem Beharren auf Einzelfälle jegliche Kritik diskreditiert.
Wir wollen versuchen, dieses Diskussionsmuster zu durchbrechen und die Erkenntnisse über rassistische Praktiken der Polizei, ihre Strukturen und die damit einhergehende Diskriminierung in den Blick zu nehmen. Dabei werden wir unter anderem auf die Aus- und Fortbildung der Polizei, auf das Phänomen der „Cop-Culture“ und das über Alltagserfahrungen angesammelte Erfahrungswissen von Polizisten und Polizistinnen mit der Gefahr der Verfestigung autoritärer Stereotype bis hin zu rechtsextremen Einstellungen zu sprechen haben.
Weiteres demnächst mehr unter https://debatte-muenster.de/ Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Heinrich-Böll Stiftung NRW.

 

Das alles wollen wir diskutieren unter Beteiligung von
-        Dr. Irene Mihalic, MdB, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, beurlaubte Polizeibeamtin des Landes Nordrhein Westfalen
-        Dirk Heidemann, Leiter des Fachgebiets “Polizeiliche Führungslehre“ an der Deutschen Hochschule der Polizei, Angehöriger des höheren Polizeidienstes
-        Jörg Radek, Polizeihauptkommissar, Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei, ständiger Vertreter des Bundesvorsitzenden
Moderation: Hubert Wimber, Polizeipräsident a.D. und Mitglied von Debatte e.V.
Ort Zoom (Anmeldung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)